Expert*innen im Fundraising – gesucht und (nicht?!) gefunden?

Fundraiser*innen – alle suchen sie – keiner findet sie. Ist das wirklich so? Gibt es zu wenige? Sind andere Qualifikationen gefragt? Fehlt Führungskompetenz?
Jede Person, die wir in der Non-Profit Szene fragen, hat eine Antwort parat. Doch gibt es gemeinsame Nenner? Was fehlt wirklich? Wo liegen die Ursachen und welche Lösungsansätze gibt es bereits?
Das wollten wir wissen und haben diejenigen gefragt, die es wissen müssen: 20 Fundraising-Expert*innen und Personaler*innen aus der Non-Profit Szene. Hier die Ergebnisse:

Die Lage hat sich zugespitzt

In Deutschland herrscht fast Vollbeschäftigung. Die Konjunktur brummt und die Deutschen spenden gerne und viel. Immer mehr Organisationen in Deutschland weiten ihre Fundraising-Aktivitäten aus, internationale Non-Profit-Organisationen eröffnen Büros in Deutschland. Und auch aus dem Stiftungssektor kommen neue Player auf den Markt, da die Niedrigzinslage deren Erträge und damit Projektbudgets senkt. Kurz gesagt: Die Lage hat sich zugespitzt. Die Nachfrage nach gutem Fundraising-Personal wächst und der Markt kann diese nicht bedienen. Insbesondere erfahrene Führungskräfte und Personal mit Digitalkompetenz fehlen.

Dazu kommt: Die Arbeitswelt steht im ständigen Wandel. Globalisierung. Digitalisierung. New Work. Themen, die uns alle tagtäglich betreffen. Für den Arbeitsmarkt bedeutet dies, dass neue Kompetenzen der Arbeitnehmer*innen gefragt sind und Arbeitgeber sich auf diesen Wandel einstellen müssen.

Welche Kompetenzen werden gesucht?

Während Fundraiser*innen früher hauptsächlich Mailing-Spezialist*innen waren, haben sich die Anforderungen heute deutlich ausdifferenziert. Große Non-Profit-Organisationen wie Greenpeace oder World Vision suchen heutzutage zusätzlich Spezialist*innen in den Feldern Unternehmenskooperationen, Social Media und Online-Redaktion, Großspendenakquise und Stiftungsbetreuung. Kurz: Menschen mit ausgeprägten Kommunikationsskills und Spezialwissen.
Aber wer denkt es ginge nur um Kommunikation liegt falsch. Die Digitalisierung macht auch vor dem 3. Sektor nicht halt. Technisch-analytische Kompetenzen werden wichtiger und vor allem im Kontext von Datenbankanalysen, Social Media und Software-Implementierung händeringend gesucht.

Neue Anforderungen gibt es nicht nur für Angestellte, auch Führungskräfte müssen sich anpassen. Anführen? Das war gestern! Dass Führung immer wichtiger wird, berichten die Befragten unisono:
„Gefragt sind heutzutage eher „Coaches“, die strategisch agieren, zwischen den Bereichen vermitteln und individuell auf die Bedürfnisse der Angestellten eingehen“ fasst Prof. Tom Neukirchen, Gesellschafter der Hamburger Fundraising Agentur Fundgiver, die Aussagen zusammen.

Wie rekrutiert man am besten neue Kolleg*innen?

Rekrutiert wird heute vorwiegend digital: über spezifische Jobplattformen der Branche – und immer mehr über Xing, über persönliche Kontakte oder Dienstleister, die Fundraising-Netzwerke mitbringen und helfen, Neubesetzungen schnell und professionell abzuwickeln. Zusätzlich wird vermehrt interne Rekrutierung und Weiterbildung in den Organisationen betrieben. Aber ohne einen guten Ruf als Arbeitgeber wird es immer schwieriger.
Hier könnten die Organisationen sich noch besser aufstellen. Zum Beispiel, um eine Zielgruppe auf sich aufmerksam zu machen, die teilweise als „Die Rettung“ betitelt wurde: Quereinsteiger*innen aus der klassischen Wirtschaft.

Die Rettung?! Quereinsteiger*innen aus der Wirtschaft

Sie sind im 3. Sektor schon lange kein Novum mehr, die frühere Skepsis ist verflogen. Trotz geringerer Bezahlung sind viele wechselbereit, da der 3. Sektor ihnen Sinnstiftung, gelebte Werte und flexible Arbeitsmodelle bietet – im Gegensatz zu ihren vorherigen Arbeitgebern.
„Genau hier liegt die Stärke von Organisationen in der Non-Profit-Welt“, so Prof. Tom Neukirchen. „Den Arbeitnehmer*innen wird neben dem Gehalt auch Sinnstiftung und interessante Aufgaben geboten, sowie gelebte Werte und eine attraktive Unternehmenskultur. Flexible Arbeitszeiten und Modelle, die Raum zur freien Entfaltung bieten, sind im Vergleich zur klassischen Wirtschaft hier vielfach schon lange etabliert.“

Mitarbeiter*innen binden: Karrierewege anbieten

Aber Sinnhaftigkeit in der Tätigkeit allein reicht nicht mehr. Auch Raum für individuelle Entwicklung wird wichtiger. Da die Aufstiegschancen in der Fundraising-Branche gering sind, wird es umso bedeutsamer, kreative Lösungen zur Weiterbildung und Weiterentwicklung zu finden. „Das könnten beispielsweise Fachkarrieren ohne Führungsverantwortung oder eine gleitende Einarbeitung in neue Arbeitsfelder sein“, wie Carola von Peinen, Geschäftsführerin der Personalberatung Talents4Good, aus den Interviews berichtet.

Fachkräftemangel? Noch nicht im Katastrophengebiet, aber höchste Zeit für Prävention

Fest steht: Die Fundraising-Branche ist im Wandel. Für die Zukunft prognostizieren die Befragten einen erhöhten Wettbewerb um Talente, eine erhöhte Fluktuation in den Ballungsräumen und die steigende Wichtigkeit der Bindung von Mitarbeiter*innen.

Auf dem Fundraisingkongress 2019 im Mai in Kassel – Szenetreff der Fundraiser*innen – wurde die Studie vorgestellt und das Thema „Berufsbild Fundraising“ intensiv beleuchtet. Fazit: Es braucht mehr Sichtbarkeit für diesen Bereich – wobei auch die Universitäten gefragt sind. Und das Berufsbild wird immer breiter – zu den Themen Marketing, Vertrieb, Campaigning und Social Investment gibt es enge Schnittstellen, die auch im Kontext von Fundraising adressiert werden sollten.
Die Geschäftsführerin des Deutschen Fundraising Verbandes Larissa Probst fasst zusammen: „Die Diskussion mit den Experten und Expertinnen zum Thema Fachkräftesicherung im Fundraising hat ergeben, dass wir zwar noch nicht im Katastrophengebiet sind, wir aber dringend entsprechende Maßnahmen verstärken müssen. Diese Aufgabe nehmen wir auch als Verband sehr ernst.“

Nun gilt es für alle – Fundraiser*innen, Führungskräfte, Berater*innen und den Verband – den Wandel nicht nur zu ertragen, sondern aktiv mitzugestalten. Angestellte müssen sich den neuen Anforderungen anpassen, Organisationen die Rahmenbedingungen schaffen und sich nicht nur als NGO gegenüber Spender*innen, sondern auch als sinnstiftende Arbeitgeber präsentieren. Und der Fundraisingverband muss für gutes Image und Nachwuchs sorgen.

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Viel Spaß beim Lesen. Und schreiben Sie uns gerne Ihre Sichtweise zu diesem Thema an [email protected]

Die Interviews zu der Studie führten Prof. Tom Neukirchen, Gesellschafter der Hamburger Fundraising Agentur Fundgiver, sowie Carola von Peinen, Geschäftsführerin der Personalberatung Talents4Good, die auf die Besetzung von Stellen im Non Profit Sektor spezialisiert ist.