Eine Geschichte vom Wechsel(n)

Robin Rader schaffte den Quereinstieg vom Weg des maximalen Verdienstes in der klassischen Wirtschaft zur Tierschutz-NGO. Nun erzählt er im Interview, wie ihm der Wechsel in den Non-Profit-Sektor gelang und welche Erfahrungen er in seinem „Job mit Sinn“ bei der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt macht.

Woher kam Dein Wunsch, Deinen Job in der klassischen Wirtschaft an den Nagel zu hängen und Dir einen „Job mit Sinn“ zu suchen?
Ich habe mich seit jeher zwischen klassischen Jobs in der Wirtschaft und dem Ausleben meiner „kreativen Ader“ sowie dem Engagement für gesellschaftspolitische Themen bewegt. Ich denke, dass mir dies ein Stück weit durch das Interesse an und dem Engagement in der Kunst seitens meiner Großmutter und Mutter sowie der Topmanager-Karriere meines Vaters in die Wiege gelegt wurde. Nachdem ich längere Zeit, zuletzt im IT-Projektmanagement und zusätzlichen Aufgabenfeldern, den Weg des maximalen Verdienstes – mitunter um jeden Preis – eingeschlagen habe, kam ich irgendwann an den klassischen Punkt, dass ich völlig ausgebrannt war, wenig Sinn in der Tätigkeit sah und Geld allein nicht mehr Antrieb genug war. Man könnte auch sagen: vom Ausbrennen zum Brennen für eine Sache.

Wie lange hat der Umstieg bei Dir gedauert und was hast Du in dieser Zeit getan?
Der Umstieg folgte einer „Sinnfindungsphase“”, einer Pause von etwa einem Jahr, in der ich viel gereist bin, verschiedene Fortbildungen absolviert, mich in die für mich zu diesem Zeitpunkt wichtigsten Themen eingelesen und entsprechende Veranstaltungen besucht sowie auch intensiv an mir selbst gearbeitet habe. Ich denke gerade die Auseinandersetzung mit mir selbst war hier entscheidend für den Richtungswechsel. Aufgrund meiner vorherigen Arbeit konnte ich mir das glücklicherweise leisten und ich vermute, dass ich Dinge wie ein bedingungsloses Grundeinkommen heute auch genau deshalb für wichtig halte, eben weil ich aus eigener Erfahrung weiß, dass es für die meisten Menschen (leider immer noch) ein Privileg ist, die Möglichkeit zu haben, überhaupt auf diese Suche gehen zu können.

Wie hast Du nach einem neuen Job im Nonprofit-Sektor gesucht? Was hat vielleicht besonders gut geklappt, was gar nicht?
Nachdem ich zu diesem Zeitpunkt bereits einige Jahre vegan gelebt hatte, war das Feld Tierschutz, Tierrechte und, seit jeher, Menschenrechte ein logisches für mich. Ich habe zudem immer wieder längere Zeit im Ausland gelebt, mich völlig neuen Umfeldern gestellt und wusste daher, dass ich aus diesen unbekannten, neuen Situationen viel Energie schöpfen kann. Soweit ich mich erinnern kann, war die Bewerbung im Rahmen eines Praktikums bei der Albert Schweitzer Stiftung für unsere Mitwelt die erste und ich habe dort den für mich persönlich idealen Einstieg gefunden. Damals war die Stiftung noch sehr klein, recht unbekannt und ich wusste ehrlich gesagt überhaupt nicht, was mich erwarten würde. Anstelle des vermuteten hippie’esquen Arbeitsumfeldes empfing mich dann bereits in der damaligen Organisationsgröße eine äußerst professionell agierende NGO, sodass der Übergang eigentlich recht reibungslos verlief. Rein menschlich wurde ich zudem mit großer Offenheit und dem Gefühl von Zugehörigkeit empfangen – bis heute blicke ich auf diese Zeit mit großer Dankbarkeit für die Aufnahme ins Team durch meine Kolleg*innen zurück.

Eine Anmerkung noch: Ich denke, dass ich aufgrund des völlig neuen Tätigkeitsfeldes auch ungewohnt locker an den Bewerbungsprozess und Einstieg heranging, was vermutlich hilfreich war.

Was machst Du jetzt eigentlich genau? Und was begeistert Dich an Deinem neuen Job?
Ich unterstütze Unternehmen dabei, ihr Angebot im Bereich pflanzlicher bzw. veganer Alternativen auszubauen – und dann natürlich auch die Kommunikation und die Qualität der veganen Produkte zu verbessern. Aber auch die Verbesserung von Tierschutz-Standards liegt auf meinem Tisch, etwa im Rahmen unserer Masthuhn-Initiative.

Vom Typus her würde ich mich als recht progressiv, neugierig und innovationsfreudig beschreiben – diese Eigenschaften machen dieses Feld, das in vielen Bereichen den Status Quo unserer Gesellschaft herausfordert, für mich besonders attraktiv. Die Möglichkeit, mit Menschen aus der Wirtschaft und anderen Bereichen gemeinsam an einem alternativen System zu arbeiten, das am Ende uns allen zugutekommt, motiviert mich immer wieder aufs Neue. Dass ich dabei des Öfteren auf herausfordernde Gegenpositionen stoße, macht es umso interessanter.

Wenn ich mir eine Sache herauspicken könnte, dann würde ich wohl den direkten Austausch mit meinen Gesprächspartner*innen sowie die daraus resultierenden neuen Sicht- und Handlungsweisen von beiden Seiten als jenen Punkt bezeichnen, der mich an dieser Arbeit am meisten begeistert.

Gibt es Dinge, die Dich in dieser für Dich neuen Arbeitswelt irritieren? Also Momente des „Kulturschocks“?
Ich denke, dass die (im Vergleich zu klassischen For-Profit-Jobs) doch diverseren Erfahrungshintergründe der Mitarbeiter für nahezu alle NGOs mitunter herausfordernd sind. So kann es durchaus sinnvoll sein, den eigenen Werdegang oder die Erfahrung nicht in den Fokus zu stellen und eine Art “Reset” der Vorgeschichte zuzulassen. In unserer Stiftung ist es glücklicherweise so, dass wir ein vergleichsweise konservatives und durchgeplantes Arbeitsumfeld geschaffen haben, sodass der “Kulturschock” vermutlich etwas geringer ausfällt als bei so manch anderer Organisation. Erfahrungen, die von außen in eine anfangs sehr kleine und nun stetig wachsende Gruppe hineingetragen werden, können sowohl im For- als auch im Non-Profit-Bereich zu Irritationen auf beiden Seiten führen. Ich bin daher besonders glücklich darüber, dass wir auch mit externem Expertenwissen gerade an solchen potenziellen Schwachstellen arbeiten und so die sich aus der Vielfalt ergebenden Chancen immer besser nutzen können.

Welche Kompetenzen aus der „alten“ Arbeitswelt haben Dir in der Rückschau besonders geholfen, den Umstieg zu schaffen?
Einerseits habe ich durch die Vielzahl an Tätigkeitsfeldern in meiner beruflichen Laufbahn gelernt, mich auf den Menschen und nicht die Position des Gegenübers einzulassen – dies hilft vermutlich dabei, schneller zum Gesprächspartner durchzudringen, ohne dabei künstliche Barrieren im Kopf zu haben. Andererseits hat gerade der letzte Job in der Wirtschaft, im Projektmanagement, dabei geholfen, den Einsatz für die Sache in geordnete Bahnen zu lenken. So habe ich stets ein Ziel vor Augen, anstatt mich an den bisweilen überwältigenden Herausforderungen dieser gesellschaftspolitischen Bewegung aufzureiben. Dass meine Ausbildung in der Kunst mir zusätzlich ermöglicht, einen unkonventionellen Blick auf Themen zu werfen und neu zu denken, ist sicher auch kein Fehler.

Was würdest Du anderen Umsteiger*innen mit auf den Weg geben?
Nehmt euch die Zeit, genau zu überlegen, wofür ihr im Kern bereits lange brennt. Nicht immer muss das Engagement in diesem Bereich auch bis zur Rente dort bleiben, aber es hilft sicherlich, wenn ihr euch auf dem Gebiet eures Interesses tatsächlich einen alternativen gesellschaftlichen Zustand wünscht und ihn euch vor allem auch vorstellen könnt. Das hilft bei der Bewerbung, bei der Unterstützung der Entwicklung eures neuen Arbeitsplatzes und nicht zuletzt der Sache, für die ihr euch entschieden habt, Einsatz zu zeigen und mit diesem, idealerweise auch richtig dosierten Einsatz, auch glücklich zu werden. Denn eines ist ebenso wichtig: wenn ihr in einem Feld arbeiten wollt, für das ihr euch engagieren möchtet, dann ist es für das Erreichen des Ziels ‒ des Wandels in der Gesellschaft ‒ unerlässlich, dass ihr die Energie auch über längere Zeit aufrechterhalten könnt.

Zu guter Letzt: Lasst euch auf die neue Organisation und die neue Arbeit ein und geht mit offenen Augen und Ohren auf das neue Umfeld zu – am Ende könnt ihr vielleicht genau jenen Teil ins Ganze einbringen, der zur Umsetzung der Idee gefehlt hat.