Diskriminierung verlernen – Raus aus der Komfortzone!
Na, wann haben Sie das letzte Mal die Komfortzone verlassen? Vielleicht beim Ausprobieren eines neuen Sports oder beim Lernen einer neuen Sprache? Der populärwissenschaftliche Begriff beschreibt die Zone, in der sich eine Person wohlfühlt. Die Person weiß, was auf sie zukommt, und kennt sich aus. Gekennzeichnet ist die Zone durch Gewohnheiten und Routinen sowie anhaltende Strukturen. Aufgaben können leicht bewältigt werden, eine persönliche Weiterentwicklung findet aber nicht unbedingt statt.
Das drei Zonen Modell
Wer sich in einer neuen Sportart ausprobiert oder eine neue Sprache lernt aber weiß: Richtige Lernfortschritte werden dann erzielt, wenn es nicht mehr bequem ist. Denn es ist ungewohnt, sich in einer neuen Sprache zu verständigen. Es werden Fehler gemacht oder Haltungen beim Sport korrigiert.
Im Sinne des drei Zonen Modells aus der Erlebnispädagogik befindet sich die Person dann in der Lernzone. Sie ist in weiten Teilen Neuland, wo unbekannte Herausforderungen und Ziele auf die Person warten. Die altbewährten Regeln und Strategien funktionieren nicht mehr und gehören verändert. Wenn es gelingt, in der Zone zurecht zu kommen, werden Wissen und Fähigkeiten erweitert und damit die Komfortzone ausgebaut.
Nicht selten rutschen lernende Personen in die Panikzone. Diese Zone ist gekennzeichnet durch großen Stress. Umgebung und Aufgaben sind fremd. Oftmals tritt das Gefühl von Überforderung auf, welches mit körperlichen Symptomen einhergehen kann. Das Gehirn ist nicht lernfähig und die fehlende Kontrolle verursacht das Gefühl, gelähmt zu sein.
Antidiskriminierung als Lernprozess verstehen
Dieses Modell lässt sich auch auf das breite Feld der Antidiskriminierungsarbeit übertragen: Es gilt, Neues zu lernen und neue Räume zu schaffen. Zusätzlich müssen wir einige Verhaltensweisen, Stereotype und Vorurteile verlernen und gesellschaftliche Strukturen neu denken. Schon in den 1980er Jahren schrieb die Soziologin Frigga Haug: „Lernen zu Diskriminierung führt Erfahrungen in die Krise“.
Unsere Erfahrungen und daraus resultierende Einstellungen und Verhaltensweisen werden ggf. in Frage gestellt, wenn wir sie mit neuen Perspektiven betrachten. Dies kann dazu führen, dass Personen in die Panikzone rutschen und ein (Ver-)Lernen nicht mehr möglich ist.
Auf individueller Ebene muss dann das Ziel sein, wieder in die Lernzone zu gelangen. Ein Schritt dahin ist, Fehler und Unsicherheiten einzugestehen und sich aktiv mit diesen auseinanderzusetzen.
Von der individuellen zur organisationalen Ebene
Was auf individueller Ebene passiert, kann sich auch auf organisationaler Ebene widerspiegeln. Oft fehlen Räume, um Prozesse, Rituale und Praktiken in der eigenen Organisation zu reflektieren. Für viele Organisationsmitglieder ist dies bequem, ob dadurch Personen(gruppen) diskriminiert werden, steht nicht zur Debatte.
In den letzten Jahren wurden wiederholt Organisationen für diskriminierende Praktiken (z. B. in Form von Aussagen aus der Führungsetage oder der Art Werbung und allg. Kommunikation) kritisiert. Immer noch erfolgt dann oft eine sog. Nonpology, eine unehrliche oder falsche Entschuldigung. Diese kann ebenfalls als Verhalten in der Panikzone gedeutet werden. Die Verantwortlichen sind nicht in der Lage, mit der Kritik umzugehen und einen Lernprozess anzustoßen.
Weiterbildung, Sensibilisierung und offene Kommunikation fördern
Umso wichtiger, dass Organisationen unabhängig von öffentlicher Kritik Räume für Weiterbildung und Sensibilisierung schaffen und offene Kommunikation fördern. Es braucht Schulungen zu unterschiedlichsten Themen, die mit externer Unterstützung durchgeführt werden sollten. Auch niedrigschwellige Maßnahmen können viel bewirken. Gesprächsrunden, die durch den Bereich Personal oder Führungskräfte initiiert werden, können einen offenen Austausch fördern und die Bereitschaft einzelner Teammitglieder, die persönliche Komfortzone zu verlassen, erhöhen.
Komfortzone als Privileg
Was beim eigenen Lernprozess nicht außer Acht gelassen darf: die Komfortzone jedes Teammitglieds ist verschieden. Wer sich wann in der eigenen Komfortzone befindet, ist nicht ohne weiteres ersichtlich und alle Teammitglieder starten den individuellen Lernprozess an unterschiedlichen Ausgangspunkten. Darüber hinaus kann bereits das Verweilen in der Komfortzone als Privileg verstanden werden. Wenn die Organisationskultur sowie Prozesse und Art der Kommunikation mir bekannt sind und mir dadurch Sicherheit geben, bin ich wahrscheinlich den Großteil meiner Arbeitszeit in der Komfortzone. Dies gilt jedoch nicht zwangsläufig für alle Organisationsmitglieder.
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