Wandel braucht Ehrlichkeit: Ein Gespräch unterm Apfelbaum mit der alten und neuen Geschäftsführung von Talents4Good

Foto "Wandel braucht Ehrlichkeit"

Nach fast 10 Jahren ist Anna Roth, eine der zwei Gründerinnen von Talents4Good, aus der Geschäftsführung ausgeschieden. Ihre Nachfolgerin Annika Behrendt wird mit Carola von Peinen die gemeinsame Geschäftsführung fortsetzen. Judith Hartmann vervollständigt als kaufmännischen Leiterin und Prokuristin das neue Leitungstrio von Talents4Good. Klingt kompliziert und nach emotionalem Zündstoff? Lesen Sie im Interview, wie wir diesen Wechsel in der Geschäftsführung mit Offenheit und Ehrlichkeit hinbekommen haben.

HR- und Szene-News: Anna, du hast dich nach fast zehn Jahren entschieden, aus der Geschäftsführung von Talents4Good auszuscheiden. Wie kam es dazu?

Anna Roth: Als Carola und ich 2012 Talents4Good gründeten, war das für mich der Beginn einer wunderbar spannenden und sinnerfüllten Reise. Ich liebe es, etwas aufzubauen und Menschen für eine Sache zu gewinnen – beides konnte ich zu einhundert Prozent bei Talents4Good ausleben. Meine Kinder wurden dann 2014, 2015 und 2018 geboren und das hat – wie bei den meisten Eltern – viel in mir bewegt. Beim ersten und zweiten Kind bin ich noch dem Ideal der perfekten “working mum” hinterhergerannt. Das war anstrengend, aber es ging. Als dann aber im engsten Verwandtenkreis zwei Menschen an Krebs erkrankten und ich mich zwischen Kindern, Firma und Pflege der Kranken nur noch im Kreis drehte, merkte ich, dass ich an meine Grenzen komme. Mit einem Coach konnte ich herausarbeiten, was ich wirklich will: Einfach ein paar Jahre Mama sein.

HR- und Szene-News: Wie erging es Dir mit dieser Erkenntnis?

Anna Roth: Das war gar nicht so einfach, denn in meinem Umfeld ist das total ungewöhnlich und ich selbst war bis dahin die größte Kritikerin des “nur-zuhause-Seins”. Heute weiß ich, dass ich viele externe Erwartungen internalisiert, aber nicht darauf geschaut hatte, was ich wirklich will. Bei Kind Nummer drei habe ich mich dann getraut, zu meinen Wünschen zu stehen und habe 12 Monate Elternzeit gemacht. Aus den 12 sind inzwischen 30 geworden und so hart der Mama-Job für mich auch ist, ich würde es sofort wieder so machen. Und in meinen freien Momenten kommen mir natürlich viele gute neue Ideen, von einem Purpose-Podcast über eine Eispatisserie in Frankfurt bis hin zu einem Demokratie-Roman…

HR- und Szene-News: Das klingt vielfältig und spannend! War es für Dich auch in Bezug auf Deine Tätigkeit bei Talents4Good ein stimmiger Moment, um auszusteigen?

Anna Roth: Ich finde schon! Denn ich liebe vor allem die Aufbauarbeit und die war nach ein paar Jahren geschafft – und es lief ja während meiner Elternzeiten auch ohne mich ganz wunderbar. Ich bin super froh, dass Carola in all den Jahren die Stellung gehalten hat – ohne sie wären meine Auszeiten nicht möglich gewesen. Es fühlt sich toll an, dass Talents4Good bei Carola, Annika und Judith in den besten Händen ist. Dadurch fiel es leicht, loszulassen und mit Stolz auf das zu schauen, was wir gemeinsam erreicht haben.

HR- und Szene-News: Ihr könnt stolz darauf sein, wie reibungslos der Wechsel funktioniert hat. Wie habt Ihr das geschafft?

Carola von Peinen: Ich glaube, hier sind zwei wichtige Dinge zusammengekommen. Erstens haben wir Gründerinnen es geschafft, uns im Guten zu trennen. Und zweitens haben wir unsere Nachfolgerinnen ab dem ersten Tag gefördert und ihnen Raum gegeben, sich zu entwickeln. Und zwar ohne genau zu wissen, wohin die Reise geht und ohne zu wissen, ob wir in Zukunft eine adäquate Position für sie haben werden. Als es dann so weit war, Anna gehen zu lassen, hat sich beides sehr stimmig ineinandergefügt.

Anna Roth: Carola und ich konnten immer sehr offen miteinander sprechen und haben uns auch nicht davor gescheut, externe Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn es mal ruckelig war. Als es um meine längere Auszeit und dann den Ausstieg ging, haben wir zum Beispiel mit einer Vertrauensperson in Gesprächen und Aufstellungen Lösungen erarbeitet. Dabei sind viele Tränen geflossen, wir hatten beide große gemeinsame Aha-Momente und am Ende gab es immer eine feste Umarmung. Mir persönlich war es total wichtig, nicht nur die Business-Seite hinzubekommen, sondern auch unsere Freundschaft am Leben zu erhalten und ich denke, Carola hat das genauso gesehen.

Carola von Peinen: Was uns am Ende sehr geholfen hat: Dass wir schon vom ersten Tag an darüber gesprochen haben, was uns wichtig ist im Leben und welche Projekte wir uns in Zukunft außerhalb von Talents4Good vorstellen können. Wir waren uns also immer bewusst, dass die gemeinsame Reise auch wieder enden kann. Ich glaube, dass das in vielen Startups nicht so ehrlich besprochen wird und entsprechend viele Verletzungen verursacht – obwohl es eigentlich in der DNA vieler Gründerinnen und Gründer verankert ist, nach einiger Zeit weiterzuziehen und etwas Neues zu beginnen.

HR- und Szene-News: Carola, warum hast Du Dich entschieden, die Geschäftsführung nicht alleine weiterzuführen?

Carola von Peinen: Ich wusste schon immer, dass Teamwork für mich der Schlüssel zum Erfolg ist und mir die Arbeit dann auch am meisten Spaß macht. Die gemeinsame Geschäftsführung mit Anna hat das bestätigt: Wenn Verantwortung auf mehreren Schultern liegt, kommen viele Perspektiven zusammen, die wiederum Risiken abfedern und Chancen sichtbar machen. Außerdem muss niemand immer zu einhundert Prozent da sein und Leistung bringen – Elternzeiten, Sabbaticals, aber auch schwierige persönliche Zeiten von einzelnen Personen führen nicht zum Kollaps des Systems. Hinzu kommt, dass wir sehr stärkenorientiert arbeiten. Wenn ich aber nur das tue, was ich am besten kann, dann fehlen noch ein paar Komponenten für eine gute Unternehmensführung. Und all das ist bereits im Unternehmen vorhanden oder kann sich entwickeln, wenn wir es zulassen. Dass Annika und Judith jetzt bereit sind, in die Verantwortung zu gehen, ist für mich das größte Geschenk.

HR- und Szene-News: Annika, wie fühlt sich die Geschäftsführung an und was hat sich für Dich verändert?

Annika Behrendt: Weil ich schon vorher sehr viel in strategische Entscheidungen eingebunden war, dachte ich zuerst: Alles bleibt wie bisher. Aber tatsächlich hat sich auf der Metaebene einiges verändert! Ich fühle mich noch stärker verantwortlich für das Unternehmen, meine Perspektive auf viele Themen hat sich gewandelt und ich werde natürlich auch von außen ganz anders wahrgenommen. Insofern ist es durchaus eine spannende Zeit des Neu-Einfindens, in der ich viele meiner Gewohnheiten und Kommunikationsmuster in Frage stelle. Ich freue mich sehr darauf, vor allem mit dem Start unseres Beratungszweigs eigene Akzente zu setzen, Talents4Good weiterzuentwickeln und mit in die Zukunft zu führen.

HR- und Szene-News: Judith, du bist frisch aus der Elternzeit zurück und nimmst nun auch eine neue Rolle ein. Kam das überraschend? Und wie passt das zu deiner neuen Lebenssituation?

Judith Hartmann: Überraschend nicht, denn ich wurde in die Entscheidung mit einbezogen und konnte mitreden, wie wir die neu geschaffene Rolle der kaufmännischen Leitung verstehen und füllen wollen. Ich habe mich natürlich schon gefragt, ob ich genau in dieser Situation sogar noch mehr Verantwortung für unser Unternehmen und unsere Kolleg*innen übernehmen möchte und meine Antwort war: So viel wie ich im letzten Jahr gelernt und so viel Verantwortung wie ich jetzt für einen anderen kleinen Menschen trage: Ich bin gut im Training. Und auch vor dem Hintergrund, dass ich erst einmal in Teilzeit arbeiten werde, ist meine neue Aufgabe ein Segen, denn ich kann viel im Hintergrund am Rückgrat von T4G werkeln und mir meine Zeit relativ frei einteilen.

HR- und Szene-News: Sehr viele Arbeitgeber*innen entscheiden sich ja dafür, Mitarbeiter*innen, die in Teilzeit aus der Elternzeit zurückkommen, eher weniger Verantwortung zu geben als vorher. Warum habt Ihr Euch anders entschieden?

Carola von Peinen: Weil Verantwortung nicht automatisch an Arbeitszeiten geknüpft ist und wir versuchen, genau solche traditionellen Denkmodelle zu durchbrechen. Wir arbeiten schon seit einiger Zeit mit dem Rollenmodell, das heißt, jede Person hat bei uns mehrere Rollen. Wer mehr Stunden arbeitet, kann mehr Rollen haben; wer weniger Zeit zur Verfügung hat, hat auch weniger Rollen. Natürlich braucht es ein Mindestmaß an Verfügbarkeit, damit eine bestimmte Verantwortung auch getragen werden kann, aber auch damit haben wir im Rahmen von Annas Rückkehr nach ihren Elternzeiten schon gute Erfahrungen gesammelt.

Anna Roth: Das ist das Tolle an Talents4Good! Carola war für jede meiner Teilzeit-Ideen – und ich habe viel ausprobiert – offen. Wir haben einfach alles in der Praxis erprobt und geschaut, was funktioniert und was nicht. Wir kennen Judith und ihre Stärken sehr gut und waren super froh, dass sie die Stelle angenommen hat.

HR- und Szene-News: Was können wir jetzt von Talents4Good erwarten?

Annika Behrendt: Unsere Vision ist, dass alle Menschen mit ihrem Job zu einer besseren Welt beitragen können. Ein Teilaspekt davon ist, dass der Dritte Sektor als Arbeitsmarkt viel bekannter und attraktiver wird. Dem wollen wir uns in der Zukunft weiter zuwenden, etwa durch Beratungsangebote, die Organisationen zu noch attraktiveren Arbeitgebern machen und durch unsere Vermittlungsaktivitäten insbesondere von Quereinsteiger*innen in den Sektor.

Carola von Peinen: Die nächsten Jahre werden geprägt sein von Nachhaltigkeit, Digitalisierung und einem permanenten Wandel. Wir möchten unsere Kund*innen stärken, den Weg in die Transformation zu ebnen, denn sie haben die Lösungen für die Welt von morgen. Wir werden weiter erforschen und vorleben, wie eine neue Arbeits- und eine nachhaltige Wirtschaftswelt praktisch aussehen können und unsere Stimme hörbar dafür einsetzen.

Judith Hartmann: Ich möchte mich dafür einsetzen, dass wir noch professioneller und effizienter werden – und dabei ein Arbeitgeber bleiben, bei dem tolle Menschen engagiert und gerne zusammenarbeiten. Dass Menschen aus der klassischen Wirtschaft und dem Dritten Sektor bei uns ganz wunderbar zusammenarbeiten und voneinander lernen – das sollten wir noch viel mehr nach außen tragen.

Anna Roth: Ich bin ja noch im Gesellschafterkreis und glaube, die ersten 10 Jahre von T4G waren nur der Anfang. Alles, was wir da gelernt haben, wird uns wie ein Katapult nach vorne bringen. Irgendwann wird wirklich jede und jeder sagen können: ich setze meine Talente dafür ein, die Welt besser zu machen!

 

Titelbild: Judith Hartmann, Carola von Peinen, Anna Roth & Annika Behrendt